11. März 2021
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Die Texte Franz Kafkas gehören mittlerweile zum Lektürekanon an den Schulen – darum ist im Klett-Verlag gerade erst wieder ein neues Stundenblatt zu seiner Kurzprosa erschienen. Lässt sich eine „kafkaeske“ Lektüreerfahrung im Unterricht genauer fassen? Was genau macht die „Schilderungen Kafkas“ aus? Warum entfalten Kafkas Texte diese Atmosphäre des Mysteriösen, Undurchschaubaren?
Unser Autor Hans Robert Spielmann schlägt eine Annäherung in einer Unterrichtsstunde vor.

Das Adjektiv „kafkaesk“, 1973 erstmals in den Duden aufgenommen und mit den Erklärungen „in der Art der Schilderungen Kafkas“, „auf unergründliche Weise bedrohlich“ umschrieben, ist zu einer definitiven und gleichzeitig selbst wieder schwer zu entziffernden Chiffre für die moderne Lebens- und Welterfahrung geworden.

Um der Bedeutung dieser Kennzeichnung mit den Schülerinnen und Schülern auf die Spur zu kommen, bietet sich die Kleine Fabel an, die sich nicht nur wegen ihrer Kürze sehr gut zur Einführung in die Gedankenwelt Kafkas eignet. Zum Einstieg in die Diskussion könnte man den Text zunächst vorlesen oder an die Tafel schreiben. Denkbar wäre folgendes Vorgehen:

Schritt 1: Text (in originaler Rechtschreibung)

„Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.“ – „Du mußt nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß sie.

Den Text vorlesen oder an die Tafel schreiben, eine erste Diskussion anschließen.

Leitfragen:

  • Warum hat die Maus Angst? – Sie sucht Orientierung.
  • Geben ihr die Mauern Orientierung? – Sie schränken sie ein.
  • Würde sie dem Rat der Katze folgen, was würde geschehen? – Sie hätte keine Orientierung mehr.
  • Folge: ein Teufelskreis, der in der Vernichtung endet.

Schritt 2: Abstraktion

Das Gespräch in Richtung unserer Situation als Menschen verallgemeinern: Unser konkretes Lebensumfeld verleiht uns Ordnungskriterien, die uns ermöglichen, unser Leben zu strukturieren. Dazu benötigen wir ein Zeitgefühl, damit wir wissen, wo wir uns gerade auf der Zeitachse befinden (Gegenwart), und ein Raumgefühl, das uns Orientierung in einem gewissen Rahmen oder Umfeld verleiht. Beide Ebenen sind notwendige Voraussetzungen für das Ordnen der Welt nach Kausalität und Logik. Daraus gewinnen wir Sicherheit und Perspektiven für unsere Lebensplanung.
Mögliche Tafelskizze (als Ausgangspunkt nur den Raum und die mittlere Zeitlinie skizzieren, dann den veränderten Raumeindruck abbilden und die Konstellation von Katze und Maus ergänzen):

Schritt 3: Mögliches Arbeitsblatt

Kostenlos für Sie zum Download
Mit diesem Arbeitsblatt können Ihre Schülerinnen und Schüler anhand von vier Fragen das Thema bearbeiten:

NEU

Sind Sie an weiteren Unterrichtsideen zu Kafkas Kurzprosa interessiert?
Dann empfehlen wir Ihnen unser neues Stundenblatt Franz Kafka: Kurze Prosa | Erzählungen.

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