Wie kann man zurzeit überhaupt Unterricht gestalten? Wir haben dazu bei unseren Autoren und Autorinnen nachgefragt. Sylvie Kurutz, Lehrerin an einer Realschule in Mühlacker, berichtet uns über ihren Umgang mit der veränderten Lehrsituation.
von Sylvie Kurutz
Das ist mein Ausgangspunkt: zwei Abschlussklassen (10. Klasse, Realschule, 9. Klasse, Hauptschule) und eine 9. Klasse auf dem mittleren Niveau in Deutsch (und Gemeinschaftskunde, Geschichte und WBS). Es ist überflüssig zu erwähnen, dass alle unterschiedliche Themen haben – vom Leistungsvermögen und anderen Umständen ganz zu schweigen. Ich weiß, spätestens an diesem Punkt, nicken einige, falls sie noch die Energie dafür aufbringen können.
Unsere Schule hat sich, dank eines tollen Admins, für eine Onlineplattform entschieden, auf die die Lehrer komplett Zugriff haben und die Schüler klassenweise. Gerade die Deutschlehrer der 10. Klassen tauschen ihre Materialien untereinander, gilt es doch hier die Schüler für die Prüfung fit zu machen. Auch bezüglich einer Zoom-Videokonferenz hat unsere Schulleitung nachgesteuert. Allerdings fehlen mir gerade die Ideen, wie ich diese sinnvoll für meinen Deutschunterricht nutzen kann. Es gibt vielleicht andere Fächer, die dort eher einen Nutzen herausziehen können.
Ich arbeite in dieser Zeit mit Wochenplänen, dem Deutschbuch, Prüfungsheften, guten Übungsseiten im Netz und eigenen Materialien. Die Wochenpläne müssen jedoch an die Umstände angepasst und verlängert werden.
Ich habe den letzten Aufsatz meiner 10. Klasse-Schüler (Aufgaben angelehnt an die Prüfung) korrigiert und mit einem ausführlichen Bewertungsraster über WhatsApp mit einer persönlichen Sprachnachricht zurückgesandt. Meine Materialien, an die Schwächen der Schüler, die aus den Aufsätzen zum Vorschein kamen, angepasst. Was heißt das genau?
Ich habe die Aufsatzthemen wie ein Schüler durchgearbeitet: per Hand (Aufgabenstellung bearbeiten, Schreibpläne erstellen, Gedichte, Kurzgeschichten bearbeiten, Schlüsse schreiben etc.) und jeden Schritt eingescannt, um den Schülern die einzelnen Phasen visuell darzustellen. Dazu Erklärungen, Hinweise und Übungsaufgaben (ganz kleinschrittig) an neuen Aufgaben, Texten geschickt. Sicherlich kann man sagen, dass der Aufwand viel zu hoch ist. Es arbeiten die Fleißigen, die Guten… – wie im Unterricht auch. Das ist aber eine prinzipielle Einstellungsfrage zu diesem Beruf. Mein Weg ist dieser und ich sehe den Dank einiger Schüler, das ist Ansporn genug. Wer an dieser Stelle glaubt, ich hätte zu viel Zeit, der irrt. Zwei Kinder, Hund, Haus – aber mit dem Fokus auf das Wesentliche gelingt es. Zumal nicht alle Kinder etwas arbeiten, ich die Abgabezeiten sehr offenhalte und ich mir mühsame schriftliche Korrekturen spare.
Bei mir läuft ganz viel über WhatsApp. Die Schüler schicken ihre Sachen, ich lese, mache mir Notizen und schicke ihnen über eine Sprachnachricht meine individuellen Anmerkungen. Das ist für mich schneller und irgendwie doch auch individueller – ein Lob, ein kleiner Witz, eine Bemerkung zwischendurch macht es lebendig.
Bei meiner Hauptschulklasse ist das alles schon viel schwieriger. Wer hat einen PC, wer hat Eltern, die unterstützen, wer kann sich über Wochen motivieren? Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich zufrieden bin. Die ersten Wochen liefen gut an, aber mittlerweile verliere ich einige Kinder, obwohl ich mit jedem kommuniziere. Sie versprechen und wollen auch, können aber ohne Anschub, Kontrolle nicht selbständig arbeiten. Da helfen auch keine digitalen Errungenschaften, den realen Kontakt zum Lehrer kann niemand ersetzen. Sie gehen offline und ich habe keinen Zugriff auf die Kids. Auch der Kontakt zu den Eltern, sofern es diesen gibt, schafft keine Abhilfe. Meine Hoffnung? Dass ich sie alle wieder einsammle, sobald die Schule wieder beginnt.
Machen Sie gerade ähnliche Erfahrungen? Wie lösen Sie die kleinen und großen Probleme, wie überbrücken Sie die Distanz zu Ihren Schülerinnen und Schülern? Schreiben Sie uns gern in den Kommentaren!
Wichtiger Hinweis: Besuchen Sie auch unser Portal „Distanzlernen mit Klett“. Dort stellt der Klett-Verlag für viele Fächer weitere Materialien wie z.B. Erklärfilme, Arbeitsblätter mit Übungen und Unterrichtseinheiten zur Verfügung. Hilfreiche Tipps und Tricks rund um Homeschooling, Tools, Apps und tägliche News sind dort für Sie übersichtlich gesammelt.
Ein Kommentar
Es gibt Apps wie Quizlet, Padlet etc. die wirklich gut zur Materialerstellung genutzt werden können. Meine SuS mögen auch kurze youtube Filme (vom WDR, euronews, arte mediathek, etc., um sich darauf Informationen zu erarbeiten (ich gebe per Raster vor, was ich benannt haben möchte; Inhalt, Ziel, etc.) und das kann man auch über zoom besprechen oder die jeweilige Schul-Video-Konferenz Möglichkeit. Rollenspiele klappen auch, selbst wenn die Mimik und Gestik leider etwas leidet, da es doch ungewohnt ist, alleine vorm PC schauspielerisch in seine Rolle hineinzufühlen. Aber dort liegt der didaktische Fokus ja ohnehin auf der Auswertung und Vertiefung des Dargestellten.