Die Analyse von WhatsApp-Sequenzen im Unterricht bietet innovative Anlässe zur Reflexion über sprachliche Normen und über Gelingensbedingungen von Kommunikation.
von Prof. Dr. Michael Beißwenger
Nie zuvor haben Jugendliche so viel geschrieben wie heute. Die Schriftlichkeit, die sie in WhatsApp-Dialogen oder beim Chatten in sozialen Netzwerken produzieren, steht dabei häufig schon auf den ersten Blick in Widerspruch zu den sprachlichen Normen für schriftliche Texte, deren kompetente Beherrschung ein zentrales Ziel des Deutschunterrichts darstellt. Der Deutschunterricht ist gefordert, die unterschiedlichen Normen, die bei der sprachlichen Gestaltung von Chatnachrichten und bei der Gestaltung von Texten gelten, aufzugreifen und zueinander in Beziehung zu setzen. Das fördert zum einen ein Verständnis der Besonderheiten bei der Sprachverwendung in digitaler Kommunikation, zum anderen ein Verständnis für den Sinn von sprachlichen Normen in unterschiedlichen Kontexten und Formen sprachlicher Kommunikation.
Dass die sprachliche Gestaltung von privaten Chat-, SMS- und WhatsApp-Nachrichten anderen Normen folgt als die Gestaltung monologischer Texte, liegt auf der Hand: Beim Chatten geht es in erster Linie darum, dialogische Interaktion zu organisieren. Die Beiträge der Beteiligten werden häufig spontan und mit geringer Planungszeit produziert und sind für eine zeitnahe Erwiderung durch die Kommunikationspartner bestimmt. Was zählt, ist weniger das schriftsprachliche Produkt als vielmehr das Ergebnis der Interaktion. Demgegenüber stellen monologische Texte ganz andere Gestaltungsanforderungen an die Schreiber: Hier geht es darum, im Prozess des Schreibens ein sprachliches Produkt zu konzipieren, das für den Adressaten verständlich ist, ohne Rückfragen an den Verfasser stellen zu können oder dessen Produktionsumstände zu kennen. Der Erfolg des sprachlichen Handelns mit Texten hängt ganz wesentlich davon ab, wie gut es dem Schreiber gelingt, die Struktur und die sprachliche Gestaltung seines Textes auf diese Anforderung zuzuschneiden.
Lesen Sie hier das Interview „Sprachwandel durch Mediennutzung: Die neue Schriftlichkeit“ mit Prof. Dr. Michael Beißwenger, erschienen im Klett Themendienst.