25. Juli 2023
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In diesem Jahr blieb Ihnen noch nicht viel Zeit zum Lesen? Um Ihnen für die freien Tage die Auswahl zu erleichtern, hat unsere Redaktion auch in diesem Jahr Lesetipps für Sie gesammelt.

Zsuzsa Bánk: Die hellen Tage

Tipp von Petra

In einer süddeutschen Kleinstadt erlebt das Mädchen Seri in den 60er-Jahren helle Tage der Kindheit: Tage, die sie im Garten ihrer Freundin Aja verbringt, die aus einer ungarischen Artistenfamilie stammt und mit ihrer Mutter in einer Baracke am Stadtrand wohnt. Aber die scheinbar heile Welt hat einen unsichtbaren Sprung: Seris Vater starb kurz nach ihrer Geburt, und Ajas Vater, der als Trapezkünstler in einem Zirkus arbeitet, kommt nur einmal im Jahr zu Besuch. Karl, der gemeinsame Freund der Mädchen, hat seinen jüngeren Bruder verloren, der an einem hellblauen Frühlingstag in ein fremdes Auto gestiegen und nie wieder gekommen ist.

Zsuzsa Bánk erzählt die Geschichte dreier Familien und begleitet ihre jungen Hauptpersonen durch ein halbes Leben. „Die hellen Tage“ ist ein zauberhaftes und packendes Buch über Freundschaft, Liebe und Lüge und über eine Vergangenheit, die erst allmählich ihre Geheimnisse enthüllt. Dabei erschafft Zsuzsa Bánk eine flirrende, leicht surreale Atmosphäre, die diesen Roman zu einem perfekten Sommerbuch macht.

S. Fischer Verlage | ISBN 978-3-596-18437-8

Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter

Tipp von Svenja

Aus der Perspektive der anfangs siebenjährigen Ela erleben wir das Familiengeschehen einer westdeutschen Kleinfamilie in den Siebzigerjahren. In Daniela Dröschers autofiktionalem Roman dreht sich die meiste Zeit alles um Elas Mutter – besser gesagt um ihr Gewicht. Über die Jahre wird der Körper der Mutter für alles verantwortlich gemacht, was der Familie nicht gelingt; besonders von ihrem eigenen Mann. Elas Vater kämpft um Erfolg und Anerkennung, sowohl im Beruf als auch in der Dorfgemeinschaft, und das Nichtgelingen lässt ihn zunehmend frustrierter werden, was sich täglich am Abendbrottisch entlädt.
Elas kindlicher Blick zeigt uns, wie sie die immer wiederkehrenden Auseinandersetzungen ihrer Eltern erlebt und welche Überzeugungen in Bezug auf ihre Familie sie dadurch gewinnt. Gespickt mit Kommentaren einer erwachsenen Ela, die das Geschehen für sich und uns einordnet, erzählt die Autorin die Geschichte einer inspirierend eigenwilligen und kraftvollen Frau und ihrer Beziehung zu ihrer Tochter.

Kiepenheuer & Witsch | ISBN 978-3-462-00199-0

Björn Stephan: Nur vom Weltraum ist die Erde blau

Tipp von Anne-Katrin

1994: Der 13-jährige Sascha Labude und sein bester Freund Sonny wachsen in der Plattenbausiedlung Klein Krebslow auf. Saschas Leben verläuft relativ ereignislos, sofern man außer Acht lässt, dass das alte Land untergegangen und Saschas Vater verstummt ist, und dass die Pawelkes, die scheußlichsten Schläger der Siedlung, im selben Aufgang wohnen wie er. Was Sascha niemandem erzählt: Seit er denken kann, sammelt er Wörter – Wörter, die etwas beschreiben, wofür es in der deutschen Sprache keinen Ausdruck gibt.

Eines Tages zieht Juri nach Klein Kreblow, ein Mädchen, das zwar alles über die Entstehung des Universums zu wissen scheint, aber kein Wort darüber verliert, wo es selbst herkommt. Mit Juris Auftauchen beginnt ein Sommer, der die Siedlung und das Leben der Drei für immer verändern wird.

Ein berührender Sommerroman voller Einfühlungsvermögen, Schnoddrigkeit, Witz und leiser Melancholie.

Kiepenheuer & Witsch | ISBN 978-3-462-00359-8

Mareike Fallwickl: Die Wut, die bleibt

Tipp von Sophie

Auch wenn die Pandemie (zum Glück!) gefühlte Ewigkeiten zurückliegt, sind die Folgen und Auswirkungen bis heute zu spüren, wenn man nur an psychische Erkrankungen oder Long Covid denkt. Neben vielen anderen war eine Gruppe während dieser Zeit besonders beansprucht: Familien und dort vor allem die Frauen, die noch immer nachgewiesenermaßen einen Hauptteil der unbezahlten Care-Arbeit leisten. Was das während der Pandemie bedeutete und was Erschöpfung mit Menschen macht, zeigt Mareike Fallwickl in ihrem drastischen Roman am Beispiel einer fünfköpfigen Familie und deren „Herz“: der Mutter Helene. Dieses Herz will nicht mehr so funktionieren, wie alle es erwarten, und stürzt alle, die sie umgeben, in Wut, Erschöpfung und Gewalt. Dabei lässt Fallwickl unterschiedlichste Frauentypen und -generationen auftreten, beleuchtet deren erreichten Grad an Emanzipation und Gleichberechtigung und zeigt verschiedene Kommunikationsformen sowie deren Wirkung. Haben Sie eine Ahnung, was Sätze wie „Haben wir noch Salz“ in einem überreizten, erschöpften Mutterhirn auslösen? Dann lesen Sie bitte dieses Buch! Für die Mütter, für die Frauen!

Rowohlt | ISBN: 978-3-498-00296-1

Natalie Portman: Fabeln

Tipp von Antje

Die Schauspielerin Natalie Portman erzählt in ihrem Kinderbuch-Debüt drei klassische Fabeln und bringt sie geschickt in aktuelle Zusammenhänge.
Die verspielten Illustrationen stammen von Janna Mattia.

Mentor Verlag | ISBN 978-3-948230-28-9

Mariana Leky: Kummer aller Art

Tipp von Therese

Sollten Sie abseits der vielen Sonnenstrahlen und der unbändigen Sommerfreude um Sie herum einmal das Bedürfnis nach Stille, Schatten und nach etwas Normalität haben, sei Ihnen der kleine Band „Kummer aller Art“ von Mariana Leky empfohlen. In kurzen Geschichten begegnen einem hier „Menschen wie Du und ich“, Normalos mit ihren kleinen Alltagsproblemen, denen die Ich-Erzählerin wunderbar ruhig und respektvoll zuhört, aber auch gern auf lakonische Art behilflich ist. Das Buch ist in seiner klaren Sprache und dem Blick für die Besonderheiten im Alltäglichen so wunderbar, leicht skurril und Mariana Leky- typisch, wie man es vielleicht schon von „Was man von hier aus sehen kann“ (kam 2023 auch in die Kinos) kennt. Das Büchlein ist schnell gelesen, und danach ist man, völlig getröstet, wieder bereit für ein wenig Sonne und Sommer.

DuMont | ISBN 978-3-8321-8216-8

Bruno Preisendörfer: Als unser Deutsch erfunden wurde. Reise in die Lutherzeit

Tipp von Lukas

Die deutsche Sprache ist eben nicht am Reißbrett erfunden worden, wie man den Titel dieses Sachbuches von Bruno Preisendörfer missverstehen könnte: Unsere Sprache ist stattdessen in erster Linie aus dem Leben heraus entstanden – während mühsamer Feldarbeit, beim Erzählen über Kindheit und Tod, in den Kanzleien einer entstehenden Staatlichkeit, beim Kochen, zum Austreiben des Teufels, zum Lieben und Fluchen.

Martin Luther – neben Albrecht Dürer und der Fuggerfamilie einer der Protagonisten dieses Sachbuches – hat also das Deutsche keineswegs erfunden, aber doch maßgeblich mit seinem charakteristischen Ton geprägt: direkt, anschaulich und mit dem Klang protestantischer Überzeugung. Preisendörfer gibt aber auch unbekannteren Nebenfiguren und Nischenphänomenen eine Stimme – Müllern, Mathematikern, Alchemisten, Wunderheilern und Geldleuten. Resultat ist eine geradezu enzyklopädische und dennoch klug zusammengefädelte Reihe von Alltagsbildern und aus dem deutschen Hochmittelalter.

Dieser der realen Chronologie nach erste, aber dem Veröffentlichungszeitpunkt nach zweite Band einer mittlerweile fünfteiligen Reihe (zuletzt: Reise in die Bismarckzeit, 2021), kann nicht nur für alle Liebhaberinnen und Liebhaber deutscher Sprache und Geschichte eine Freude sein. Die übervolle Sammlung an Anekdoten macht dieses Buch zu einem Steinbruch, an dem alle sich bereichern können, die sich beim Betrachten der Welt gerne fragen, wie sie wurde, was sie heute ist.

Galiani Berlin | ISBN 978-3-462-05067-7

War auch etwas für Ihren Geschmack dabei? Was lesen Sie in diesem Sommer? Lassen Sie es uns gern mit einem Kommentar wissen. Viel Spaß beim Schmökern und eine tolle Sommerzeit!

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