21. April 2022
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Kooperatives Lernen ist mehr als bloße Gruppenarbeit. Doch was ist kooperatives Lernen dann und worauf kommt es dabei an? In diesem Artikel beleuchten wir konkrete Methoden und unterstützen Sie mit Kopiervorlagen, die Sie in Ihrer nächsten Stunde einsetzen können.

Was bedeutet kooperatives Lernen?

Kooperatives Arbeiten kommt nicht allein dadurch zustande, dass Lernende Aufgaben in Gruppen lösen sollen. Denn dabei besteht häufig die Gefahr, dass einige Lernende sich kaum bis gar nicht beteiligen oder einer aus der Gruppe den Großteil allein erledigt.

Beim kooperativen Lernen hingegen müssen die Aufgaben zwingend gemeinsam oder in Abstimmung miteinander bearbeitet werden, um zu einer Lösung zu kommen. Die Aufgabenstellung muss also so gestaltet sein, dass jeder einen Beitrag zur Lösung des Problems beitragen muss. Dadurch wird gewährleistet, dass jeder sich aktiv mit der Aufgabe und den Lerninhalten beschäftigt. Damit ist kooperatives Lernen effektiver als reine Gruppenarbeit, wenn es denn richtig durchgeführt wird.

Kriterien für erfolgreiches kooperatives Arbeiten

Lernende sollen von kooperativen Lernmethoden profitieren und am Ende soll selbstverständlich der Lerngewinn stehen. Damit dies gelingt, haben die beiden Bildungswissenschaftler David W. Johnson und  Roger T. Johnson fünf Kriterien für effektives kooperatives Lernen aufgestellt.

1. Positive Abhängigkeit

Positive Abhängigkeit bedeutet, dass die Gruppenmitglieder in gegenseitiger Verantwortlichkeit stehen. Nur wenn alle Mitglieder ihren Teil beitragen, kann die Aufgabe erfolgreich gelöst werden. Wenn die Gruppenmitglieder dies realisiert haben, ist positive Abhängigkeit erfolgreich etabliert.

Das Gefühl positiver Abhängigkeit können Sie als Lehrkraft bereits durch die Gestaltung bzw. Formulierung der Aufgabenstellung hervorrufen. Weitere Möglichkeiten, um positive Abhängigkeit zu erzielen und zu vermitteln, sind die Zuweisung von Rollen (Materialbeauftragte:r, Vorleser:in, usw.) oder das Schaffen einer Gruppenidentität durch einen selbstgewählten Namen oder ein selbstgestaltetes Wappen.

2. Individuelle Verantwortung

Jedes Mitglied der Gruppe ist verantwortlich für seinen Teil am Gesamtergebnis und muss sich auch verantwortlich fühlen, diesen Beitrag zu leisten. Um dies zu gewährleisten, kann es sinnvoll sein, dass jeder Lernende seinen individuellen Beitrag zur Gesamtleistung kenntlich machen soll. Zudem sollten Sie Ihren Lernenden am Anfang mitteilen, dass jedes Gruppenmitglied in der Lage sein sollte, die Arbeit der Gruppe oder einzelne Teilaspekte zu präsentieren, wenn er oder sie zufällig dafür ausgewählt wird.

3. Direkte Interaktion

Zwar gibt es auch bei kooperativen Lernformen Phasen der individuellen Bearbeitung, im Zentrum stehen aber die zwischenmenschlichen Interaktionen. Dabei geht es vor allem darum, dass die Lernenden sich bei Verständnishürden unterstützen, Feedback geben und sich gegenseitig erklären, was sie gelernt haben. Aber auch in den Phasen des selbständigen Erarbeitens sollte es für die Lernenden möglich und erlaubt sein, in den Dialog mit den Gruppenmitgliedern zu treten. Am besten funktioniert das, wenn die Gruppenmitglieder auch räumlich beieinandersitzen.

4. Soziale Fähigkeiten

Für eine gelungene Zusammenarbeit sind soziale Kompetenzen unerlässlich. Kooperatives Lernen fordert und fördert diese gleichermaßen. Dazu gehören unter anderem aktives Zuhören, Kompromisse eingehen, um Hilfe bitten können und Konflikte konstruktiv zu lösen. Um diese Kommunikationsfähigkeiten beim kooperativen Lernen anwenden zu können, macht es Sinn, dass die Lehrkraft diese vorher noch einmal mit ihrer Klasse wiederholt.

5. Evaluation und Reflektion

Zum kooperativen Arbeiten gehört am Ende auch immer die Gruppenevaluation. Zuerst erfolgt diese innerhalb der Gruppe. Die einzelnen Gruppenmitglieder sollten Auskunft darüber geben können, wie die kooperative Arbeit verlaufen ist, wo Verbesserungspotential besteht und welche Verhaltensweisen beibehalten werden sollten. Am Ende wird die Gruppenarbeit in der gesamten Klasse reflektiert und die Erkenntnisse zusammengetragen. Kooperatives Arbeiten war dann erfolgreich, wenn in der Klasse das Gefühl entsteht, gemeinsam etwas erreicht zu haben, was der oder die Einzelne alleine nicht geschafft hätte.

Methoden für kooperatives Lernen

Echospiel

Eine Möglichkeit für kooperatives Arbeiten stellt das Echospiel dar. Die Lernenden müssen ihre Meinung zu einem Thema äußern, dabei aber immer auf das Gesagte des Vorredners eingehen. So wird ganz nebenbei auch das aktive Zuhören geübt. Das Spiel ist erst erfolgreich geschafft, wenn jeder etwas beigetragen hat. Falls jemandem kein Argument einfällt, kann der Rest der Gruppe helfen.

Ein konkretes Beispiel für das Echospiel finden Sie im neuen Deutsch kombi plus für NRW. Das praktische an dieser Übung ist, dass sie unabhängig vom gerade behandelten Thema durchgeführt werden kann. Sie können das Arbeitsblatt kostenlos herunterladen und direkt in Ihrer nächsten Stunde einsetzen.

Übrigens: In Deutsch kombi plus finden Sie zahlreiche weitere kooperative Aufgaben und Anregungen für kollaboratives Arbeiten.

Echospiel als kooperative Lernform


Weitere kooperative Lernformen

Nachfolgend finden Sie viele weitere kooperative Lernformen im Überblick. Wir hoffen, dass wir Sie damit inspirieren können. Die Übersicht können Sie ebenfalls kostenlos herunterladen.

Diese Methode eignet sich zum Austausch von Argumenten sowie zur Entscheidungsfindung. Die Lernenden bearbeiten eine Aufgabe in Dreiergruppen: Ein Lernender ist der Engel, der allem zustimmt; ein Lernender ist der Teufel, der alles ablehnt; ein Lernender ist die Balance, die entscheidet, welches die besten Argumente sind. Am Ende referieren die Lernenden, die die Balance darstellen, der gesamten Klasse, wie die Gruppe sich entschieden hat und welche Argumente vorgebracht wurden.

Die Klasse erarbeitet in Kleingruppen Pro- und Contra-Argumente zu einem Thema. Für die Diskussion setzen sich die Lernenden gegenüber (eine Pro-Gruppe und eine Contra-Gruppe). Der Diskussionsleitende achtet auf die Einhaltung der Regeln: Es redet immer abwechselnd ein Mitglied der Pro- und eines der Contra-Seite. Jeder neue Redebeitrag muss sich auf den vorausgegangenen Redner beziehen. Am Ende fasst der Diskussionsleitende die Ergebnisse grob zusammen.

Die Lernenden tauschen sich für kurze Zeit mit ihren Mitlernenden aus und teilen anschließend der ganzen Klasse ihre Ergebnisse mit. Es können Informationen, aber auch Meinungen, Stimmungen und Lösungen ausgetauscht werden. Der Austausch kann paarweise, aber auch in Dreier- oder Vierergruppen geschehen.

Wenn ein Lernender eine Aufgabe beendet hat, wartet er an einem Treffpunkt im Klassenraum, bis ein anderer Lernender mit derselben Aufgabe fertig ist. Anschließend erfolgt ein Austausch oder eine weitere Erarbeitung in Partnerarbeit. Als Visualisierung des Treffpunkts bietet sich die Abbildung einer Bushaltestelle an. Für den Austausch suchen sich die Paare freie Plätze im Klassenraum. Wichtig ist, dass der Lernpartner nur nach dem Lerntempo gewählt wird und dass nicht auf Freunde gewartet werden darf. Außerdem sollten die Lernenden im Vorfeld auf die auftretenden Unterschiede im Lerntempo hingewiesen werden. Gleichzeitig sollten sie ermutigt werden, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, damit sie in ihrem eigenen Tempo und ihrer eigenen Gründlichkeit arbeiten können.

Vier unterschiedliche Aussagen/Positionen/Orte/Haltungen/… werden auf ein DIN A4-Blatt geschrieben und in je einer Ecke des Klassenzimmers aufgehängt. Die Lernenden gehen herum und entscheiden sich für eine Ecke, der sie sich zuordnen. Anschließend tauschen sie sich mit den Gleichgesinnten über den Grund ihrer Auswahl aus.

Diese Methode eignet sich zur Präsentation von Arbeitsergebnissen von Gruppenarbeiten. Die Schüler stellen ihre Arbeiten im Klassenraum aus. Ein Lernender bleibt gegebenenfalls bei der Arbeit stehen, um diese zu erklären, alle anderen gehen durch den Raum und schauen sich die Ergebnisse der anderen Gruppen an. Die Lernenden einer Gruppe wechseln sich gegenseitig mit dem Erklären ab. Variation: Alle Lernenden einer Gruppe schauen sich die anderen Werke an, keiner bleibt bei der Arbeit stehen.

Hier können die Lernenden sowohl Informationen als auch Meinungen oder Stimmungen austauschen. Dazu gehen sie im Raum umher. Wenn ein Signal ertönt, bleiben sie stehen und besprechen mit der Person, die ihnen am nächsten steht, die jeweilige Aufgabe oder Fragestellung. Beim nächsten Signal trennen sie sich wieder und gehen durch den Raum, bis das Signal erneut ertönt. Nun tauschen sie sich mit dem nächsten Partner aus. Variation: Es gibt kein Signal, sondern die Lernenden bleiben beim nächsten Lernenden, den sie treffen, stehen und tauschen sich aus.

Die Lernenden stellen ihre Arbeiten im Klassenraum aus. Eine:r von ihnen bleibt als Präsentator:in bei der eigenen Gruppenarbeit stehen, um diese den Mitlernenden zu präsentieren. Die anderen drei gehen zusammen durch den Raum und schauen sich die Ergebnisse der anderen Gruppen an. Anschließend informieren sie den bzw. die Präsentator:in darüber, was sie erfahren haben. Im Gegensatz zur Methode Gallerierundgang wechselt der bzw. die Präsentator:in nicht.

Die Lernenden arbeiten in Partnerarbeit. Jeder Lernende erhält einen Text, der sich von dem seines oder ihres Partners unterscheidet, liest ihn aufmerksam durch und notiert sich wichtige Aspekte. Anschließend tauschen sich die beiden Partner mit Hilfe der gemachten Notizen über das Gelesene aus.

Die Lernenden korrigieren sich gegenseitig und geben einander Feedback sowie Verbesserungsvorschläge.

Ein Lernender stellt wie ein Experte in einem Museum ein Bild vor, die Gruppe stellt Fragen dazu. Beispiel: In einem Museum gibt es eine Ausstellung über Fotografie. Du bist Mitarbeitender im Museum und sollst der Gruppe dein Foto erklären. Gehe auf möglichst viele Details ein und beantworte aufkommende Fragen der Museumsbesucher.

Beim Platzdeckchen-Verfahren sitzt eine Vierergruppe um ein großes Blatt Papier, das in fünf Schreibbereiche eingeteilt ist. Zunächst denkt jede:r Lernende für sich über ein Thema, ein Problem oder eine Frage nach und schreibt seine oder ihre Ideen auf seinen Teil des Blattes (eins der Außenfelder). Dann tauschen sich die Gruppenmitglieder aus, indem sie das Blatt drehen und lesen, was die anderen geschrieben haben. Anschließend diskutieren sie und einigen sich auf gemeinsame Gedanken, die sie in die Mitte des Bogens schreiben.

Ein:e Lernende übernimmt die Rolle des Journalisten, zwei oder drei andere  übernehmen die Rolle der Interviewparter. Alle bilden sich eine Meinung zu einem vorgegebenen Thema und machen sich Notizen. Anschließend spricht der Reporter mit seinen Interviewpartnern über das Thema. Die Reportage wird vor der Klasse vorgespielt – gegebenenfalls kann die Klasse auch mitbewerten.

Die Lernenden machen sich zunächst alleine Gedanken und Notizen (Think) und gleichen diese dann mit einem Partner ab (Pair), bevor sie sie der Klasse vorstellen (Share).

Im Reißverschluss stehen sich die Lernenden in Zweierreihen gegenüber und tauschen sich aus. Anschließend rücken die Lernenden einen Platz nach rechts (d.h. ein Lernender wechselt ans andere Ende), sodass sich neue Paare bilden, die sich wiederum austauschen.

Quellen:
Johnson, D. W./Johnson, R. T.: Learning together and alone: Cooperative, competitive, and individualistic learning, Boston: Allyn & Bacon, 1999.
Johnson, D. W./Johnson, R. T.: Joining to­gether: Group theory and group skills, Boston: Allyn & Bacon, 2009.

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