23. Januar 2017
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Robert Seethaler dürfte Kennern zeitgenössischer Literatur spätestens seit seinem vielgelobten Werk „Ein ganzes Leben“ – 2016 nominiert für den Mann Booker International Prize – ein Begriff sein. Sein 2012 erschienener Adoleszenzroman „Der Trafikant“ ist aufgrund der Thematik und Vielschichtigkeit geradezu prädestiniert für den Deutschunterricht in der Oberstufe.

Die in vier Handlungssträngen erzählte Geschichte des 17-Jährigen Franz, der 1937 aus dem kleinen Ort „Nußdorf“ in die Großstadt Wien kommt, um seinen Lebensunterhalt in der Trafik eines Bekannten zu verdienen, erlaubt eine Vielzahl von Lesarten, die für unterrichtliche Prozesse hervorragend genutzt werden können.

Ablösung von der Mutter

Zunächst einmal knüpft der Roman an die Tradition des Adoleszenzromans (z.B. „Der Fänger im Roggen“ oder „Der Steppenwolf“) an, der die Herausforderungen des Erwachsenwerdens thematisiert.  Mit dem Verlust des Zuhauses beginnt für Franz ein neuer Lebensabschnitt, in dem er – weit weg von der Mutter –  schnell lernt, selbstständig Entscheidungen zu treffen und sich in seinem neuen Lebensraum, der Großstadt, zu orientieren.

Erste Liebe

Die Begegnung mit der Großstadt führt Franz schließlich auch zu der faszinierenden Böhmin Anezka, die in ihm nicht nur sexuelle Wünsche, sondern auch den Traum von der gemeinsamen Zukunft weckt. Dass seine Träume und Ideale nicht die ihren sind, wird spätestens klar, als Franz erfährt, dass Anezka mit einem SS-Mann zusammen ist.

Historische Hintergründe

Geschickt verwebt Seethaler die fiktionale Geschichte um Franz’ Erfahrungswelt mit ganz konkreten historischen Bezügen zum Wien in der Zeit des Nationalsozialismus und macht durch den Blick des 17-Jährigen die Auswirkungen von Gewalt und Repressalien auf den Alltag deutlich. Durch die beteiligten Figuren werden Möglichkeiten des Umgangs mit dem politischen Geschehen reflektiert.

Sigmund Freud als Wegbegleiter

Als jüdischen Intellektuellen lässt Seethaler Sigmund Freud auftreten, dessen Exilgeschichte zumindest am Rand aufgegriffen wird. In erster Linie wird Freud im Roman zum ungleichen Vertrauten für den verliebten Protagonisten. Überfordert von seinen Eindrücken sucht Franz den Professor immer wieder auf, auch wenn dieser letztlich zugeben muss: „In den entscheidenden Dingen sind wir von Anfang an auf uns selbst gestellt. Wir müssen uns immer wieder fragen, was wir möchten und wohin wir wollen.“

von: Sophia Driftmeier

Hinweis zu Sekundärliteratur: Sosna, Anette: Adoleszenz und Zeitgeschichte in Robert Seethalers Roman Der Trafikant. In: Literatur im Unterricht. Texte der Gegenwartsliteratur für die Schule. Hrsg. v. Anja Ballis und Klaus Maiwald. Trier: März 2014.1, S. 53-69.

Material für den Deutschunterricht

Sind Sie neugierig darauf geworden, den Roman in Ihrem Unterricht zu lesen? Wir unterstützen Sie bei der Planung und stellen als Gratis-Download ein Puzzle aus den vier Handlungssträngen zur Verfügung, mit dem Ihre Schülerinnen und Schüler nach der Lektüre ihr Verständnis des Romans überprüfen können.

Ganz gleich, welche Schwerpunkte Sie bei der Behandlung des Romans setzen – eine Hilfe bei der Untersuchung ist das übersichtliche Klausurtraining „Robert Seethaler: Der Trafikant“ mit drei detaillierten Musterlösungen zu Beispielklausuren, Interpretation und Spickzettel.

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