12. Juni 2023
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Lesen ist nach wie vor der Schlüssel zur Welt – ist gleichermaßen Zugang zu Informationen und Tor zu anderen – mitunter fantastischen – Welten. Gleichzeitig zeigt die aktuelle IGLU-Studie, dass die Leseleistung von Kindern über die letzten Jahre abgenommen hat. Wie können wir in der Schule Kindern und Jugendlichen den Zugang zum Lesen erleichtern und ihre Lesekompetenz fördern?

Der Zauber der Bücher – war einmal?

Viele werden den anregenden Anblick kennen, den eine Buchhandlung bieten kann. Der Anblick vieler bunt und eindrucksvoll gestalteter Buchcover, die wie Portale in andere Welten aus Fantasie, Spannung, Rätsel, Lebensweisen und vielem mehr wirken. Doch die Bildmedien haben den Büchern durch ihre farbgewaltigen Werke auf der Leinwand und im Wohnzimmer die Rolle als Portale in die Fantasie streitig gemacht. Sehen und Hören ist nicht so zeitintensiv wie Lesen. Dies ist – neben  mehreren anderen Faktoren – ein Grund dafür, dass das Interesse am Lesen und damit auch die Fähigkeit des Lesens selbst abgenommen hat. Deutschland nimmt seit dem Jahr 2001 regelmäßig an den IGLU-Studien teil, um die Lesekompetenz junger Menschen in Deutschland zu messen. Diese Messungen haben in den vergangenen Jahren einen starken Rückgang der Lesefähigkeit und des Leseverständnisses bei Kindern der 4. Klassenstufe festgestellt. Im internationalen Vergleich ist die Lesekompetenz in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren um 15 Punkte gesunken. Auch die diesjährige Studie, die im Mai veröffentlich wurde, zeigt, dass ein Viertel der Viertklässler:innen nicht über die ausreichende Lesekompetenz verfügt, um vom Lesenlernen zum lernenden Lesen überzuwechseln. Gerade diese Kompetenz bildet jedoch die Grundlage der weiterführenden Schulbildung, weswegen die Leseförderung im Schulalltag wichtiger denn je ist.

Lesen ist Sport

Da das Lesen eine zeitintensive Tätigkeit ist, die Aufmerksamkeit und Ausdauer erfordert, kann sie mit einem sportlichen Hobby verglichen werden. Sie zu fördern bedeutet daher, dass zunächst Zuneigung und Vorliebe für die Tätigkeit erzeugt werden muss. Die Kinder und Jugendlichen brauchen ein positives Erlebnis beim Lesen, das sie dazu motiviert, auch in Zukunft die erforderte Ausdauer und Aufmerksamkeit dafür aufzubringen. Im internationalen Vergleich ist die Lesemotivation in Deutschland mit 69,9% recht hoch, jedoch ist diese Zahl in den vergangenen 20 Jahren um knapp 6% zurückgegangen, was als Indiz dafür gewertet werden kann, dass die Lesefreude als Grundlage des Lernprozesses ebenfalls gefördert werden sollte.

Die Freihof-Realschule in Kirchheim unter Teck in Baden-Württemberg hat hierfür eine Lesebox, ein Lesezimmer und eine interaktive Kooperation mit einer Buchhandlung etabliert.

Lesekiste, …

Die Lesebox ist eine mittelgroße handelsübliche Kiste, in der etliche Bücher verschiedener Genres aufbewahrt werden. Diese Kiste wird von den Lehrkräften der Schule in Vertretungsstunden oder Schulstunden mit freier Beschäftigung zum Einsatz gebracht. Die Lernenden können sich ein Buch aus dieser Kiste auswählen und verbringen die Unterrichtsstunde mit ruhigem Lesen in möglichst angenehmer Umgebung. So wird das Lesen als regelmäßige Tätigkeit etabliert und mit Entspannung und Erholung anstatt mit Leistung und Lernen in Verbindung gebracht. So wird auch die Lesezeit im Unterricht gesteigert, die laut der IGLU-Studie mit 141 Minuten in der Woche vergleichsweise gering ist. Obwohl diese Lesekiste bis heute rege zum Einsatz kommt, war sie aufgrund ihrer Beliebtheit bald nicht mehr ausreichend.

Lesezimmer …

Über viele Monate hinweg haben Eltern und Lehrkräfte Bücherspenden für die Lesekiste angeboten, sodass nach einiger Zeit genügend Bücher vorhanden waren, um ein Lesezimmer einzurichten. Hier finden sich heute in mehreren großen Regalen Sachbücher, Comics und Mangas, Romane, Novellen, Zeitschriften, Zeitungen und englischsprachige Werke, da die Schule seit 2016 einen bilingualen Zug hat. Der Raum ist mit Sofas, Sitzsäcken und Sitzhockern ausgestattet, auf denen es sich die Kinder und Jugendlichen während dem Lesen bequem machen können.

Lesezimmer der Freihof-Realschule in Kirchheim unter Teck in Baden-Württemberg

Lesezimmer der Freihof-Realschule in Kirchheim unter Teck in Baden-Württemberg

Lesezimmer der Freihof-Realschule in Kirchheim unter Teck in Baden-Württemberg

Lesezimmer der Freihof-Realschule in Kirchheim unter Teck in Baden-Württemberg

Das Leseerlebnis in diesem Raum wurde zum festen Bestandteil des Deutschunterrichts an der Freihof-Realschule gemacht, indem vor allem die Klassenstufen 5–7 einmal pro Woche für eine Unterrichtsstunde zum ruhigen und gemütlichen Lesen in diesen Raum gehen. Aber auch höhere Klassenstufen und andere Fachbereiche nutzen den Leseraum regelmäßig. So kann bereits ab der 5. Klassenstufe das Lesen mit einem angenehmen Erlebnis und einer entspannten Atmosphäre in Verbindung gebracht werden, sodass die generelle Ablehnung gegenüber dem Lesen als Tätigkeit abgebaut wird. Mit dieser Zuneigung gegenüber dem Lesen kann dann die Kompetenz an sich besser gefördert und geschult werden.

… und Buchhandlung

So viele Jahre des Lesens zeigen natürlich Spuren an den Büchern und in den vergangenen Jahren merkten viele Schülerinnen und Schüler an, dass fast alle Bücher des Leseraums gelesen worden seien und ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, neuere Bücher oder sogar Neuerscheinungen in den Leseraum einzubringen. So wurde im aktuellen Schuljahr eine Kooperation mit einer örtlichen Buchhandlung ins Leben gerufen, die regelmäßig neue Bücher und auch Neuerscheinungen ins Lesezimmer bringt. Die Kinder bzw. Jugendlichen agieren im Gegenzug freiwillig als Probeleser des Buchladens und geben das Leseerlebnis gelesener Bücher als Feedback an die Buchhandlung zurück. Somit kann dann auch der Übergang von Lesekompetenz, über das Textverständnis bis hin zur Textgestaltung in der Lebensumgebung gefördert werden.

Lesekiste, Klassenbibliothek, Lese-Ecke – welche Anreize geben Sie zum persönlichen Leseerlebnis und wie verbinden Sie Lesezeit und Leseförderung? Teilen Sie gerne Ihre Ideen und Erfahrungen in den Kommentaren.

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